irgendwie von vaters haus...

auf meinem rückweg nahm mich das schicksal bei der hand und führte mich unbewusst direkt an jenen ort zurück, den ich seit jahren mied. hätte ich doch auf die genaue anzeige am bus geachtet, dann wäre ich sicher nicht eingestiegen. eine fahrt direkt durch verdrängtes gedankengut. vielen dank, liebe bsag. die linie war nur eine kurzlinie. sie fuhr mich nicht nach hause, sondern hatte ihre endhaltestelle im gemiedenen ort, dort wo vater wohnt. gut, das klingt alles recht dramatisch. ich meide diesen ort nicht wirklich, aber in einer einleitung sollte man dinge wie "meiden" und "schicksal" nutzen, damit der leser weiterliest. sowas fesselt mich ungemein. da stand ich nun. der bus fuhr lachend weg, wusste er doch, dass ich dort nicht wirklich aussteigen wollte. so stand ich da. in der dunkelheit und musste zu einer ganz anderen haltestelle laufen, die ca. eine viertelstunde entfernt lag. eine tolle abkürzung fiel mir ein, die ich früher immer ging, um schnell zu dieser haltestelle zu gelangen. also lief ich freudig los. nichtsahnend, was es mit mir machen würde. da kam sie auch schon: die straße. dort wohnte ich einige jahre und dort endete alles. vaters haus. ich stand kurz davor und blickte durch die scheiben in das erleuchtete wohnzimmer. konnte niemanden sehen. mich hoffentlich auch nicht. mein hals schnürte sich zu, das herz klopfte unendlich stark und die augen wurden feucht. ich musste fort. mein atem rasselte und wurde schwerer. schnell fort. schnell fort von hier. das tat ich dann auch. ich ging meinen weg weiter. blickte zurück und der atem rasselte noch mehr. ist das eine panikattacke? keine ahnung, muschu, ich bin kein arzt. wahrscheinlich hast du einfach nur eine riesige klatsche!

auf dem restlichen weg zur haltestelle kamen mir pärchen entgegen, die im ersten moment wie vater und seine frau aussahen. ich erschrak. zweimal. blickte die leute an, als seien sie aliens oder würden traurige hüte aus nudeln tragen. nur noch einige schritte zur haltestelle. meine atmung erholte sich. es war schrecklich. die augen noch immer feucht und zittrig, wie der ganze rest von mir. irgendwann kam mein bus und ich konnte diesen ort verlassen. wahrscheinlich bin ich wirklich noch nicht für diese konfrontation bereit.

als ich meine mutter besuchte, zeigte sie mir ihr neues bad. zwei wochen wohnte sie in einer provisorischen unterkunft. nun war sie zurück und wurde mit einem altar belohnt. ihr bad ist so schön, vor freude wollte ich dort erst einen abseilen. dieses vorhaben verwarf ich dann aber sofort. ich wollte ihr den vortritt lassen, aber sie war schon vorher. egal. ein prunkvolles bad, lichtdurchflutet und schön. rosa schmetterlinge aus glas klebte sie quer in den raum. rosa schwämmchen, rosa, rosa, rosa - überall nur rosa. dazu trug mutter ein rosa tuch um den hals. sie sah aus wie ein bonbon. meine augen tränten fast im farbschock. so ein schönes bad hätte ich auch gern, aber dann ohne rosa. ich kam mir vor wie im barbie-ferienhaus. ich wartete darauf, dass ken und skipper zur tür herein kommen und mich mit küssen begrüßten. dann wären wir an den strand gegangen und hätten uns über ihre geschlechtslosigkeit unterhalten. später hätte ich mich gellend vor eine straßenbahn geworfen.

ganz beiläufig bei einem stück mikrowellen-käsekuchen erzählte mir mutter, dass valeska gestorben sei. ich verschluckte mich fast. valeska war weniger als eine alte bekannte. sie wohnte damals in dem ort meiner geburt. sie war gehbehindert und trug brillen mit faustdickem glas. sie wohnte in einer wohnung unter einem dach und brauchte fast drei tage, um dort anzukommen. obwohl sie nicht schön war, wurde sie ständig von irgendwelchen männern oder ihrer schwester ausgenommen. nach der scheidung meiner eltern, bei der unser süßer hund weichen musste, schenkte valeska meiner mutter einen großen hund aus porzellan. das war schön. und sie hielten kontakt. als es valeska etwas besser ging nach unzähligen operationen und sie fast wie eine prinzessin durch die gegend hüpfte, erlitt sie einen schlaganfall und konnte weder humpeln, noch sprechen. sie kam dann in ein heim, wo sie gepflegt wurde. sie rief meine mutter gelegentlich an und auch ich telefonierte mit ihr. sie konnte nicht mehr antworten, also haben wir ihr die ganze zeit etwas erzählt. wir waren ihr einziger kontakt. zu ihren beiden töchtern hatte sie seit mehr als dreißig jahren keinen kontakt mehr.
valeska starb am achten november, ab vierten hatte sie geburtstag. da lag sie schon im sterben. nun hat sie es geschafft. ich kannte sie zu wenig, um traurig über ihren verlust zu sein. aber ich freue mich für sie, dass sie es endlich geschafft hat. aber was mich wirklich in der erzählung zu tränen rührte war, dass ihre beiden töchter vorbeikamen, damit sie loslassen konnte. und nachdem die beiden bei ihr waren, schlief sie ein.

ich möchte keine kinder. würde höchstens auf welche aufpassen, wenn die eltern sie daheim vergessen. aber ich will keine eigenen. die befingern dann meine heiligen cds mit klebrigen fingern, kritzeln mit edding auf dem fernseher herum oder naschen von meinem peeling. nein, mein peeling teile ich nicht. da kann ja jeder kommen!

nun sollte ich gedankenverloren ins bett eilen. ein neuer tag wartet auf mich und wird mich mit sinnvoller arbeit beschäftigen. dieses wochenende ist zu schnell vergangen. aber ich habe einiges geschafft! meine wohnung kann nun wieder besuch empfangen, ohne dass ich mich für irgendwas rechtfertigen muss. ohne, dass ich bestimmte wäscheberge als kunst auszeichnen muss, damit sie nicht auffallen.






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